Hätten sie es besser gewusst, hätten sie es besser gemacht
Jeder Mensch wird wohl nachvollziehen können, dass eine Bundeskanzlerin viel zu tun hat. Da kann man ständiges Entschlüsseln schließlich nicht erwarten. Viel einfacher ist ihr Leben gewiss dann, wenn alle, wirklich alle Äußerungen einfach wenigstens potenziell öffentlich sind. Wie die der hochdekorierten Luftwaffenoffiziere.
Man kann einfach keinem der Verantwortungsträger mit Amtseid und regelmäßiger Belehrung wegen ihrer Sicherheitsüberprüfung böse sein. Sie wussten es nicht besser. Sonst hätten sie es – selbstverständlich! – besser gemacht. Man kennt das zum Beispiel aus der Wirtschaft.
Oder der Toplevel-Diplomatie, die von Berufs wegen Vertraulichkeit verinnerlicht hat. Wie 2014 die US-Diplomatin und Europaexpertin im US-Außenministerium, Victoria Nuland, bis vor zwei Wochen übrigens geschäftsführende US-Vizeaußenministerin, die sich damals mit der ebenfalls illegal abgehörten Äußerung "Fuck the EU" auf Youtube wiederfand.
Immerhin kein russisches soziales Netzwerk, wie dieses Mal. Interessanterweise übrigens war dies nach eigener Aussage ein "privates" Gespräch mit dem damaligen US-Botschafter in Kiew. Zu möglichen Regierungsbildungen in der Ukraine und besonders in der Frage, ob es wohl richtig und/oder opportun wäre, wenn Klitschko einer solchen angehören würde. Wie immer dies – auch zehn Jahre später – zu bewerten ist. Aber wer kann diesen Menschen denn böse sein; auch sie sind Opfer eines Verbrechens.
Das sind sie übrigens tatsächlich. Und das darf bei der Debatte nicht zu kurz kommen. Es ist eine Schande, dass wir überall in der Welt, im Kleinen und im Großen, immer Verschlüsselung brauchen, um grundrechtskonform vertraulich miteinander kommunizieren zu können.
Denn allerorten – bei Freund und Feind, bei Fürsorgenden und bei Bedrohenden – steht dieses Recht immer wieder in Disposition. Freilich meinen die Befürworter der Hintertüren für Verschlüsselungen niemals sich selbst. Sondern die Bevölkerung als Ganzes, die man ja vor Verbrechen aller Art – jedenfalls vordergründig – zu schützen gedenkt.
Darum kann man auch ihnen wahrscheinlich nicht böse sein. Sie verstehen nicht, was sie da tun.
Zeit für eine Zeitenwende für Digitalkompetenz
Nur: Sollte man in der weltpolitischen Lage, wie sie gerade ist, nicht langsam darauf hinarbeiten, dass all diese Menschen wissen, was sie tun? Sollte nicht jeder Mensch, der eine Verantwortung trägt – nicht nur für sich selbst und für Freunde und Familie, sondern für den Souverän – nicht langsam verstehen, welche digitalen Effekte zu welchen Risiken und Auswirkungen führen? Sollte sich nicht langsam die Bedeutung und der Wert von Datenschutz und Datensicherheit, von Datenintegrität und Vertraulichkeit jedem Entscheidungsträger und jeder Entscheidungsträgerin erschließen?
Man kann von Victoria Nuland halten, was man will. Auch von ihrem damaligen Gesprächspartner Geoffrey Pyatt. Man kann auch heute von Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner im Hinblick auf Taurus angewendeten "Basta"-Richtlinienkompetenz und seinem durch die geleakte Videokonferenz der Luftwaffenoffiziere geleisteten moralischen und politischen Offenbarungseid halten, was man will.
Aber wäre es nicht an der Zeit, eine Zeitenwende für Digitalkompetenz einzuläuten? Insbesondere, wenn ein Bundesverteidigungsminister die Wogen mit der an dieser Stelle vollkommen irrelevanten, weil unzutreffenden Diagnose einer "Desinformationskampagne" zu glätten versucht?
Keine Desinformationskampagne
Desinformationskampagnen gibt es wahrlich viele, aber eine nicht manipulierte Veröffentlichung eines Gesprächs anderer Leute gehört nun wahrlich nicht dazu. Das sollte eine Bundesregierung dringend wissen. Ein Bundestag auch. Und zwar seitens der regierungsnahen Parteien, wie auch seitens der Opposition.
Es wäre begrüßenswert, wenn man allseits die Ambition erkennen könnte, sich nicht länger selbst der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern dieses wirklich wichtige Sicherheitsthema auch als eines zu erkennen, das Expertise und Kompetenz braucht, und zwar in der Fläche.
Über die Autoren:
Manuel "Honkhase" Atug ist Sicherheitsexperte und insbesondere Experte für kritische Infrastrukturen. Er ist Gründungsmitglied und Sprecher der AG KRITIS und der AG Nachhaltige Digitalisierung.
Caroline Krohn ist Sicherheitsexpertin für digitale und konventionelle Sicherheit in der Innen- und Außenpolitik und Gründungsmitglied und Sprecherin der AG Nachhaltige Digitalisierung.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de [IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)]
Taurus-Leak: Digitale Zeitenwende ist nicht in Sicht |
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wenn dieser die Schwachstelle gewesen sein soll - wie ist dann das vorhergehende...
der oberste Politiker sagt aktuell noch es gibt keine das ist fürs Militär Gesetz weil...
Eventuell würde es ja hilfreich sein das ein oder andere mal in den Stellenangeboten ein...
das mit der Email war nur ein Beispiel hat nichts mit em Fall zu tun
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